Fachwissen

Aussagekräftige Arbeitszeugnisse erstellen

Arbeitszeugnisse aussagekräftig

Arbeitszeugnisse seien zu einem „sinnfreien Ritual“ verkommen, behaupten Wissenschaftler der FH Jena. Die gesetzlichen Vorgaben, nach denen ein Arbeitszeugnis sowohl wahr als auch wohlwollend sein muss, führten in der Praxis dazu, dass es auf der einen Seite „von ungeschultem Personal lieblos zusammengeschustert – auf der anderen Seite nur oberflächlich zur Kenntnis genommen“ werde. Ich habe die Rechtsanwältin und Arbeitszeugnisspezialistin Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa gefragt, ob die Arbeitszeugnisse tatsächlich überflüssig sind und wie Sie im Unternehmen für individuelle, aussagekräftige Beurteilungen sorgen können.

Arbeiten im Sekretariat: Arbeitszeugnisse sind überflüssig, sagen Forscher der FH Jena. Teilen Sie dieses Urteil?

Stephanie Kaufmann-Jirsa: Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Arbeitszeugnisse sind und bleiben wichtige Instrumente in der Personalarbeit und in der Dokumentation eines Arbeitslebens. Die Forscher der FH Jena kommen zu dem Ergebnis, dass Zeugnisse nur von ahnungslosen Mitarbeitern lieblos zusammengeschustert werden und auf der anderen Seite von niemanden zur Kenntnis genommen werden. Damit steht und fällt aber nicht die Sinnhaftigkeit eines Arbeitszeugnisses. Vielmehr zeigen die Forscher auf, dass die befragten Arbeitgeber offensichtlich ihren Arbeitnehmern zum Abschied nicht die angemessene Wertschätzung entgegenbringen wollen. Das deckt sich mit unseren Erfahrungen: Geht das Arbeitsverhältnis dem Ende zu, sind viele einfach nicht mehr willens, eine angemessene Bewertung zu schreiben. Da zeigt sich häufig an einem langweiligen Aneinanderreihen von Textbausteinen. Dabei kann mit etwas strukturiertem Vorgehen jeder Textbaustein dem Kandidaten angepasst und individualisiert werden. Natürlich kostet das Zeit und Geld, aber dafür hat der eine oder andere Arbeitnehmer auch viele Jahre gute Dienste geleistet.

Außerdem werden auf der anderen Seite die Zeugnisse sehr wohl zur Kenntnis genommen. Entgegen der Auffassung der Forscher aus Jena braucht es dafür keine gründliche Analyse. Als Zeugnisleser kann ich z. B. aus der Tätigkeitsbeschreibung eine wertfreie Information entnehmen: Was hat der Bewerber wie und in welchem Umfang gearbeitet bei seinem ehemaligen Arbeitgeber? Das sind Fragen, die im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens nur vom Bewerber selbst beantwortet werden könnten und dabei die Gefahr besteht, dass sie „geschönt“ beantwortet werden würden – gäbe es kein Zeugnis.

Objektive Darstellung der Tätigkeit im Arbeitszeugnis

AiS: Viele Unternehmen greifen ja zu vorgefertigten Musterzeugnissen oder sogenannten Zeugnisgeneratoren. Wie sinnvoll ist das denn?

Kaufmann-Jirsa: Zeugnisgeneratoren und Musterzeugnisse können die Arbeit beim Erstellen eines Arbeitszeugnisses erleichtern, sie aber nicht vollständig erledigen. Ein gutes Zeugnis muss eine objektive Darstellung der Tätigkeit enthalten. Zudem gibt die Rechtsprechung vor, welche Leistungskriterien bewertet werden müssen. Ein Muster oder eine Software kann dafür allenfalls den Rahmen bilden. Die individuelle Beurteilung und die Darstellung der Tätigkeit sollten aber vom Profi vorgenommen werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass ein Zeugnis auch hinreichend individualisiert wird, denn darauf kommt es an.

AiS: Wie lässt sich in den Unternehmen denn sicherstellen, dass ein Arbeitszeugnis tatsächlich die persönliche Leistung des Arbeitnehmers wiedergibt?

Kaufmann-Jirsa: Wenn man ein Zeugnis zu erstellen hat, sollte der Vorgesetzte im Vorfeld immer mit einem Fragebogen über die persönlichen Leistungen, besonderen Erfolge usw. abgefragt werden. Dabei sollte man darauf achten, dass tatsächlich individuelle Aussagen über den Einzelnen getroffen werden. Außerdem kann man natürlich eine gut geführte Personalakte heranziehen: Hieraus ergeben sich beispielsweise absolvierte Weiterbildungen, die in einem Arbeitszeugnis nicht unerwähnt bleiben sollten. Besonderes Augenmerk sollte man auch auf die Projekte eines Mitarbeiters werfen. Gerade in diesem Bereich lassen sich leicht individuelle Leistungsbeurteilungen vornehmen.

Eindruck über die bisherige Tätigkeit

AiS: Blicken wir einmal auf die andere Seite: Woran kann ich denn erkennen, ob ein Arbeitszeugnis in der Bewerbungsmappe tatsächlich individuell auf den Mitarbeiter zugeschnitten wurde? Auf welche Punkte sollte ich bei der Vorauswahl der Bewerber achten?

Kaufmann-Jirsa: Zunächst einmal sollte man den objektiven Teil der Tätigkeitsbeschreibung nutzen, um über den Bewerber etwas zu erfahren. In der Tätigkeitsbeschreibung stecken keine Bewertungen drin. Die ist in aller Regel neutral und wertfrei formuliert, so dass man einen guten Eindruck über die bisherige Tätigkeit bekommen kann. Darüber hinaus kann man sich die Leistungsbeurteilung genauer anschauen und prüfen, ob man in dieser konkrete Hinweise auf die individuelle Tätigkeit, die Erfolge und die Leistungen findet. Je stärker das ausgeprägt ist, desto mehr Mühe hat der ehemalige Arbeitgeber investiert und desto mehr Wertschätzung hat man für den Mitarbeiter gehabt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Stephanie Kaufmann-JirsaDr. Stephanie Kaufmann-Jirsa ist Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in Feldafing, Expertin für Arbeitsrecht und Arbeitszeugnisse sowie Autorin von Fachbüchern zum Thema. Zudem bietet sie Vorträge und Seminare zum Arbeitszeugnis und zu arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen an.
www.mein-arbeitszeugnis.com
www.rechtsanwalt-feldafing.de

7 Kommentare zu “Aussagekräftige Arbeitszeugnisse erstellen

  1. Arbeitszeugnisse müssen aussagekräftig sein! - Mein Arbeitszeugnis

    […] Aussagekräftige Arbeitszeugnisse erstellen […]

  2. Vollkommen korrekt: Aussagekräftig ist ein Arbeitszeugnis auch heute noch, wenn es branchentypisch formuliert ist, also mit einem umfassenden Aufgabenprofil und einem darauf angepassten Leistungsteil versehen ist, der die individuellen Stärken des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin wiedergibt.

    Als branchentypische Merkmale bei einem Handwerker/ einer Handwerkerin versteht man z. B. handwerkliches Geschick, ggf. Flexibilität bei der Übernahme von Aufträgen und dem Leisten von Überstunden sowie Serviceorientierung, wenn er oder sie denn Umgang mit Kunden hat.

  3. Toller Beitrag, vielen Dank. Kann auch bestätigen, dass einige Arbeitgeber am Ende des Beschäftigungsverhältnisses keine große Lust haben ein Arbeitszeugnis auszustellen. Da muss man aber dranbleiben, da es bei der nächsten Bewerbung sehr helfen kann, vorausgesetzt man wurde positiv bewertet. Einige seriöse Arbeitgeber machen das von alleine. Lg

    • Cordula Natusch

      Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass sie Anspruch auf ein Zeugnis haben – und zwar auf Wunsch auch auf ein qualifiziertes, also eines, in dem mehr drinsteht als nur die Angabe, von wann bis wann das Arbeitsverhältnis währte. Im Zweifelsfall hilft ein Anwalt weiter. Ich denke auch dass es wichtig ist, hier dranzubleiben.
      Danke für den Kommentar!
      Gruß Cordula

  4. Hallo Cordula,

    ich habe das Interview mit großem Interesse gelesen und besonders gut gefallen, hat mir, das auch erwähnt wird wie eine Führungskraft an individuelle Informationen über den Arbeitnehmer gelangt. Das wird meiner Meinung nach sehr selten erwähnt, ist aber ungemein wichtig.

    Wichtig ist vielleicht auch noch, dass es gewisse Codes gibt, welche verschlüsselte Informationen enthalten können. Doch aus meiner Sicht sollte man beim Erstellen von einem Arbeitszeugnis darauf verzichten, denn der Arbeitnehmer hat ein Recht auf Korrektur und kann sogar gerichtlich dagegen vorgehen.

    Wie siehst du das? Sind Codes und Mitteilungen an den zukünftigen Arbeitgeber wichtig oder aus deiner Sicht unfair?

    Beste Grüße
    Gordon

    • Cordula Natusch

      Hallo, Gordon,
      solche Zeugniscodes kommen bei vielen Arbeitgebern zum Einsatz – es kursieren ja regelrecht „Entschlüsselungslisten“ im Internet. Solche Geheimcodes sind aber meiner Meinung nach kritisch. Zum einen kann es sein, dass sie vor Gericht nicht standhalten. Zum anderen kann derjenige, der das Zeugnis liest, nicht sicher sein, dass der Schreibende den Code auch wirklich beherrscht. Möglicherweise wollte der Arbeitgeber dem ausscheidenden Mitarbeiter ein sehr gutes Zeugnis ausstellen, hat aber aus Unkenntnis Formulierungen gewählt, die eher negativ verstanden werden. Nicht in jedem Unternehmen gibt es große Personalabteilungen mit entsprechend geschultem Personal.
      Der beste Weg ist m.E. der, den auch meine Interviewpartnerin Dr. Kaufmann-Jirsa aufzeigt: sich intensiv mit den Aufgaben und Leistungen des Mitarbeiters auseinandersetzen und dann ein individuell angepasstes Zeugnis verfassen.
      Beste Grüße Cordula

      • Hallo Cordula,
        vielen Dank für deine Antwort!
        Ich sehe das sehr ähnlich, man sollte hier fair bleiben. Und auch, wenn das Verhältnis nicht mehr optimal ist. Man sollte aber auch als Arbeitnehmer nicht immer alles auf den Zeugnisaussteller meiner Meinung nach schieben, da er eben vielleicht unwissend gewisse Codes/Formulierungen einsetzt.
        LG
        Gordon

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