Passives Einkommen: Seit einigen Jahren geistert dieser Begriff durch die deutsche Internetlandschaft. Vor allem bei Bloganfängern ist er sehr beliebt und sorgt für glänzende Augen und für Träume von Wohlstand und Freiheit. Aber was genau ist eigentlich ein passives Einkommen? Und warum verspricht dieser Begriff sehr oft mehr, als die Realität dann einhalten kann?
Was ist ein passives Einkommen?
Von einem passiven Einkommen ist immer dann die Rede, wenn man Geld erhält, ohne dafür aktuell Arbeitszeit investiert zu haben.
Wenn Sie für Ihren Job Ihr Gehalt bekommen, findet ein Austausch Geld gegen Zeit statt. Investieren Sie keine Zeit mehr in Ihren Arbeitsplatz, gehen Sie also nicht mehr in das Unternehmen, fällt früher oder später auch das Geld, Ihr Einkommen, weg.
Ein passives Einkommen hingegen beschert Ihnen auch dann Einkünfte, wenn Sie nicht arbeiten. Das bekannteste Beispiel: Zinsen, die Sie für Ihr Guthaben auf dem Konto bekommen. Die erhalten Sie auch dann, wenn Sie erst einmal nichts tun. Weitere klassische passive Einkommensvarianten sind:
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- Dividenden aus Aktiendepots
- Lizenzgebühren für Softwareprodukte
- Honorare aus verkauften Büchern
etc. Relativ neu hinzugekommen und für den Boom verantwortlich sind Einnahmen, die über eigene Websites oder den eigenen Blog generiert werden.
Die Idee selbst ist ja sehr charmant: Scheinbar mühelos fließt Geld auf das Konto. Allerdings stimmt das mit dem „mühelos“ meist nicht. Im Gegenteil, in der Regel verbergen sich hinter jeder Art passiven Einkommens viel Arbeit und viel zeitlicher Aufwand trotz der Abkopplung von der aktuellen Arbeitszeit. Noch dazu bringt es Risiken mit sich, die oft übersehen werden.
Vorsicht vor überzogenen Erwartungen
Es geht mir mit diesem Text nicht darum, Ideen und Wünsche zu ersticken, bevor sie überhaupt eine Chance auf Umsetzung hatten. Nie war es so einfach, sich neue Einkunftsarten zu erschließen und einfach mal ein paar Dinge auszuprobieren und Ideen umzusetzen. Großartig! Tun Sie das. Aber erwarten Sie davon nicht zu viel.
Die Idee zu diesem Text hat mir eine Freundin beschert. Sie hatte ein Seminar besucht zum Thema „Geld verdienen mit Blogs“. Eine der Teilnehmerinnen berichtete in diesem Seminar, dass sie gerade ihre gut bezahlte Festanstellung aufgegeben habe, um sich mit einem Blog (noch dazu in einem stark umkämpften Bereich) selbstständig zu machen.
Was für ein Wahnsinn! Ja, es gibt höchst erfolgreiche Blogs und Blogger da draußen, Menschen, die es geschafft haben. Aber in den wenigsten Fällen kam der Erfolg über Nacht oder war einfach zu erreichen. Dazu ist auf dem Blog „Selbständig im Internet“ gerade ein interessanter Artikel erschienen: Wovon träumt ihr eigentlich nachts? Bloggen ist harte Arbeit und ständige Wiederholung!
Ähnliches gilt auch für andere passive Einkünfte. Sehen wir uns die oben genannten Einkommensarten einmal näher an.
Zinsen als passives Einkommen?
Zinsen noch als Einkunftsart zu bezeichnen ist in den meisten Fällen schlicht falsch, denn die Zinssätze befinden sich seit Jahren auf einem historisch niedrigen Niveau. Bei den meisten Sparformen besteht sogar die Gefahr, Minus zu machen – weil die Zinssätze unter der Inflationsrate liegen. Wer sich auf Zinsen als passives Einkommen verlässt, verliert faktisch Geld. Sie müssen also aktiv werden, sich um Ihr Guthaben kümmern (also Zeit investieren) und es in lukrativere Anlageformen umschichten. Beispielsweise indem Sie eine Wohnung kaufen und diese dann vermieten.
Passives Einkommen aus Vermietung und Verpachtung
Mit einer Mietwohnung haben Sie dann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Aber ist das tatsächlich ein passives Einkommen? Oft genug hängt an einer Wohnung irrsinnig viel Arbeit. Der Wasserhahn tropft und in die Garage wurde eingebrochen. Die Eigentümergemeinschaft beschließt, die Balkone zu renovieren, und die Hausverwaltung, die sich um all das eigentlich kümmern soll, ist leider unfähig. Schon haben Sie eine ganze Reihe Aufgaben, die Sie erledigen müssen, bevor das Einkommen beständig fließt.
Risiko: Mietausfall
Wenn es denn dann fließt. Haben Sie Pech, erweisen sich Ihre Mieter als unzuverlässige Gesellen, die die Miete nur höchst unregelmäßig überweisen. Dann müssen Sie mahnen und womöglich sogar klagen, um die wieder loszuwerden. Oder noch schlimmer: Sie geraten an Mietnomaden, die nicht nur nie zahlen, sondern Ihre Wohnung auch noch einem katastrophalen Zustand hinterlassen. In dem Fall verkehrt sich das passive Einkommen schnell in einen Verlust, denn Sie müssen die Wohnung ja erst einmal wieder instandsetzen, bevor Sie sie neu vermieten können.
Risiko: Mangelnde Kapitalstreuung
Und noch ein anderes Risiko bringt eine Mietwohnung mit sich: Sie bindet sehr viel Kapital auf einen Schlag in einer einzigen Anlageform. Fachleute (ich bin ja gelernte Bankkauffrau, das kommt von Zeit zu Zeit mal durch) sprechen dann von einem Klumpenrisiko. Statt das Kapital also weit zu streuen und so das Risiko eines Verlusts zu minimieren, passiert hier das genaue Gegenteil: Eine einzige Anlageform trägt das gesamte Risiko. Stellt sich womöglich heraus, dass der Boden, auf dem Ihre Wohnung steht, früher einmal als illegale Giftmülldeponie genutzt wurde, müssen Sie einen riesigen Wertverlust hinnehmen. Schlimmstenfalls können Sie die Wohnung überhaupt nicht mehr verkaufen oder vermieten. Finanziell eine Katastrophe.
Hinweis: Das Klumpenrisiko bei Immobilien lässt sich mit sogenannten REITs vermeiden, das sind Fonds, über die Sie sich an verschiedenen Immobilien beteiligen können. Allerdings gibt es auch hier viele Risiken, etliche REITs sind in den vergangenen Jahren deutlich in Schieflage geraten.
Einkünfte aus einem Depot
Sehr viel weiter streuen lässt sich das Risiko mit einem Depot, in dem Aktien und Fonds, Unternehmensanleihen und sogenannte ETF (Exchange Traded Funds) versammelt sind. Und mit einer klugen Anlagestrategie lassen sich auf diesem Wege tatsächlich langfristig über Dividenden und Kurssteigerungen gute Einkünfte erzielen. Das ist aber alles andere als ein passives Einkommen, bei dem einfach so das Geld fließt.
Ein Depot braucht Pflege
Wer ein Depot und Wertpapiere besitzt, tut gut daran, beides genau zu überwachen, sich über aktuelle Entwicklungen an den Märkten zu informieren, Gelder umzuschichten, wenn es irgendwo wackelt, etc. Vom Aufwand, sich das notwendige Wissen über Bücher, Zeitschriftenartikel und Seminare zu beschaffen, ganz zu schweigen. Spätestens seit der Lehman-Pleite, bei der auch viele private Anleger ihr Geld verloren, sollte klar sein, dass man sich besser nicht auf die Tipps von angeblichen „Beratern“ verlassen sollte, selbst wenn diese für angesehene Bankhäuser arbeiten. Information ist Anlegerpflicht.
Kurseinbrüche muss man aussitzen können
Und auch wenn sich mit Wertpapieren das Risiko gut streuen lässt, ausschalten lässt es sich damit nicht. Wenn weltweit die Aktienwerte einbrechen, wird sich auch das eigene Depot diesem Trend kaum entziehen können. Wer jetzt sein Geld benötigt, muss Verluste hinnehmen. Daher heißt es, Nerven zu bewahren und die Durststrecke auszuhalten. Sonst kann auch dies zum finanziellen Abenteuer werden.
Lizenzgebühren für Softwareprodukte als passives Einkommen
Eine erfolgreiche App, ein weitverbreitetes Blogtheme oder ein kleines Programm, das ein häufiges Problem löst, können den Entwickler reich machen. Beispiele und Erfolgsgeschichte gibt es zahlreiche in Internet. Nur wenige Beispiele und Geschichten gibt es dagegen über die zahllosen Fehlversuche, mit Softwareprodukten erfolgreich zu sein. Neben jedem Produkt, das sich am Markt durchgesetzt hat, gibt es mit Sicherheit auch in diesem Bereich unzählige Projekte, die unbeachtet wieder in der Schublade verschwanden. Projekte, in die der Entwickler viel Zeit und meist auch Geld gesteckt hat. Die viel Mühe für Entwicklung und Vermarktung gekostet haben – ohne auch nur einen Cent eingebracht zu haben. Da ist dann nichts mit passivem Einkommen, das war dann eher aktive Zeitverschwendung.
Und wenn sich das Produkt (durch zeitaufwendiges Marketing) verkauft, wird oft schnell ein erneuter Arbeitseinsatz notwendig. Da gilt es, einen Support zu bieten und Bugs zu beheben, neue Versionen zu erstellen und den Funktionsumfang zu erweitern. Wer Glück hat, macht das für viele Tausend User, die seinem Produkt treu sind. Dann wird aus dem kleinen Projekt vielleicht ein Vollzeitjob. Wer aber Pech hat, hat den ganzen Aufwand für eine Handvoll Anwender.
Honorare aus verkauften Büchern
Das ist mein Lieblingsthema, auch weil nicht nur Blogs boomen, sondern auch E-Books – und damit verbunden viele unrealistische Vorstellungen. Als hauptberufliche Lektorin habe ich oft mit Autoren zu tun, die ihr erstes Buch schreiben und vom großen Erfolg am Buchmarkt träumen (es gibt aber auch sehr viele, die die Chancen sehr realistisch einschätzen). Diese Träume muss ich dann in der Regel zerstören. Der Buchmarkt ist riesig, unübersichtlich, chaotisch, verwirrend und ein Erfolg in der Regel nicht planbar. Wer ein Buch schreibt nur mit der Absicht, damit reich zu werden, sollte es besser gleich sein lassen. Die Aussichten sind zu unsicher.
Ein Buch zu schreiben kostet Zeit und Geld
Außerdem darf man den Aufwand, den das Schreiben eines Buchs verursacht, nicht unterschätzen. Da gehen je nach Thema, Rechercheaufwand, Umfang und eigener Schreiblust und -fähigkeit schon mal Monate ins Land. Und dann ist nur ein Teil der Arbeit getan. Unter erfolgreichen Selfpublishern gelten ein professionelles Cover und ein professionelles Lektorat und Korrektorat als Erfolgsgeheimnisse. Dafür werden Sie in der Regel externe Profis beauftragen müssen, das kostet Geld. Und nach dem Lektorat müssen Sie Ihren Text noch einmal gründlich überarbeiten, die Änderungsvorschläge durchdenken, umsetzen oder aber – wohlüberlegt – verwerfen. Wieder fällt Arbeit an.
Nach der Veröffentlichung geht der Aufwand weiter
Ist das Buch erst einmal auf dem Markt, geht es an die Vermarktung. Denn wenn niemand von Ihrem Buch weiß, wird es auch niemand kaufen. Der zeitliche Aufwand für die Vermarktung ist ungefähr gleich hoch wie der für das Schreiben, nur dann bestehen überhaupt Chancen auf Verkäufe. Hinzu kommt, dass möglicherweise Leserfragen beantwortet, Druckfehler behoben oder Neuauflagen geplant werden müssen.
„Einmal ein Buch schreiben und ein Leben lang Tantieme kassieren“ – so las ich neulich in einem entsprechenden Artikel. Das ist in den meisten Fällen schlicht falsch. Wenn überhaupt Geld fließt, ist das eine Sache von einigen Jahren oder weniger. Dann ist der Inhalt überholt und muss überarbeitet werden. Oder das ehemalige Boomgenre ist bei den Lesern out und niemand interessiert sich mehr für „Jugendliche Trolle und die erste Liebe“.
Gleiches gilt auch für Blogs. Einen Blog aufzubauen, bekannt und erfolgreich zu machen ist eine Sache von Monaten und Jahren. Wer das nur für das Geld tut, sollte sich das gut überlegen. Oft ist es sinnvoller, in eine gute Fortbildung zu investieren und diese zu versilbern oder seine Freizeit zu nutzen, um sich einen neuen, besser bezahlten Job zu suchen. Damit ist auch mehr Geld auf dem Konto, das dann zwar nicht aus einer passiven Einkommensquelle stammt, aber Euro ist Euro. Damit lässt sich dann die Freizeit ganz unbelastet von Verpflichtungen durch Blogs, E-Books etc. genießen.
Wer aber seine Ideen einmal umsetzen möchte, der soll es tun. Es macht wahnsinnig viel Spaß, sich in ein Thema so zu vertiefen, dass man darüber schreiben und mit anderen darüber diskutieren kann, sein Hobby auf diese Weise zu pflegen. Es ist spannend, sich in die technischen Details und die Vermarktungsmöglichkeiten einzuarbeiten, zu lernen, den eigenen Erfahrungsschatz beständig zu erweitern. Und es ist toll, wenn die Reichweite des eigenen Blogs wächst und erste Erfolge sich zeigen. Aber das sollte die vorrangige Motivation sein, nicht das Geld. Sonst ist Enttäuschung vorprogrammiert.
Danke für diesen sehr guten Artikel zu einem Thema, das mir neuerdings auch immer wieder begegnet. Das mit dem passiven Einkommen ist eine nette Idee: Geld, das einfach so fließt, ohne dass man dafür arbeiten muss. Es gibt aber nur zwei Fälle, in denen das funktioniert: Zum einen, wenn man auf Hartz IV ist (obwohl das wohl die wenigsten Betroffenen als erstrebenswerten Zustand ansehen). Zum anderen, wenn man ein Millionenerbe hat, das andere gut für einen verwalten (worauf ich persönlich mich auch ungern verlassen würde). Alle anderen Menschen müssen aktiv werden, um ein Einkommen zu erwirtschaften. Man nennt das arbeiten.
Danke für das Lob. Als Hartz-IV-Empfänger unterliegt man ja oft so vielen Regelungen, dass auch dieses Einkommen kaum passiv ist. Dass es gerade einmal zum Überleben reicht, kommt noch hinzu. Und auch ich würde mich nicht auf Berater o. Ä. verlassen, hätte ich Millionen, die zu verwalten wären (leider gibt es die nicht …). Da wäre mir nicht nur das Risiko in Sachen Geldanlage zu hoch – ich würde immer wissen wollen, in welchen Bereichen ich investiere – sondern auch strafrechtlich. Wenn ich mich nicht kümmere, muss ich mich blind darauf verlassen, dass beispielsweise steuerlich alles richtig deklariert wird. Wenn nicht, geht nicht der Berater in den Knast, sondern ich. Nein, danke. Meine Meinung: So etwas wie passives Einkommen gibt es nur in irgendwelchen Träumen.
Ja, ein guter Beitrag! Ein Einkommen entsteht in er Regel immer nur, wenn Arbeit da ist. Und bei passivem Einkommen steckt immer auch erstmal eine Menge Arbeit dahinter! (und höchstwahrscheinlich sogar viel mehr als in anderen Jobs…) Wenn ein bestimmtes Level erreicht ist, kann schon auch passives Einkommen da sein. Typisch dafür sind ja auch die seriösen Direktvertriebs-Strukturen, und da kenne ich eine Menge Menschen, die das geschafft haben. Letztendlich geht es dann aber nur darum, dass man vielleicht mal über kurze Zeit z. B. ein paar Wochen „passiv“ sein kann, aber kein erfolgreicher Geschäftmann/frau wird dann aufhören zu arbeiten. (-; Es heißt einfach, dass kein sofortiger Ausfall von Geld entsteht wenn man vorübergehend nicht arbeitet bzw.arbeiten kann, so wie es sonst in einer Selbstständigkeit schnell passiert.
Gute Ausarbeitung von Passiven Einkünften habt ihr da gemacht und diese auch sehr kritisch hinterfragt und nicht nur die Sonnenseiten gezeigt – finde ich gut! Viele Grüße